Wir sprechen über Geld
Die angemessene Vergütung für Mitarbeiter/innen der
Rechtsanwälte und Notare in Sachsen-Anhalt
Die Zeit ist reif für Veränderungen.
Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte üben einen anspruchsvollen Beruf aus. Trotzdem fehlt der Nachwuchs. Jugendliche meiden den Ausbildungsberuf, Berufsanfänger bevorzugen eine Anstellung außerhalb der Kanzleien.
Dieser Trend, vor dem Insider in den alten Bundesländern bereits seit Jahren warnten, ist jetzt auch in Sachsen-Anhalt angekommen. Noch niemals seit Gründung unseres Bundeslandes gab es so wenig Bewerber auf unbesetzte Stellen, suchten Rechtsanwälte und Notare so häufig qualifiziertes Personal.
Das Problem ist hausgemacht. Wenn eine Entlohnung noch nicht einmal für die Deckung der Grundkosten ausreicht und selbst Vollzeitmitarbeiter zu Empfängern von Sozialleistungen werden, wandert Personal in großem Umfang ab. Die Berufsverbände der Anwaltschaft beklagen seit Jahren die Ausbildung für den Fremdbedarf, ohne die wirklichen Ursachen zu erkennen. Es wird Zeit, die längst überfälligen Konsequenzen zu ziehen.
20 Jahre Stillstand ist 20 Jahre Verzicht.
Vor knapp 20 Jahren empfahl der Deutsche Anwaltverein (DAV) für einen Berufsanfänger eine Vergütung in Höhe von 2.200 bis 2.700 DM. Das sind umgerechnet im Schnitt 1.250 Euro.
Dieser Betrag aus dem Jahr 1996 entspricht unter Berücksichtigung der Preisentwicklung heute einem Betrag in Höhe von 1.630 Euro. Die aktuelle Empfehlung des DAV beträgt jedoch nur noch 1.300 bis 1.600 Euro und liegt damit – bereinigt – deutlich unter dem damaligen Niveau. Empfohlen wird von Seiten der Anwaltschaft also in Wirklichkeit eine Einkommensreduzierung.
In Sachsen-Anhalt ist die Situation noch dramatischer. Lagen Anfang der 90er Jahre die „üblichen“ Vergütungen für einen Berufsanfänger noch bei umgerechnet etwa 1.250 Euro, wird dieser Betrag aktuell oftmals sogar unterboten.
Das Berufsrecht zeigt den Weg.
Wie bei jedem anderen Arbeitgeber dürfen Vergütungen nicht sittenwidrig niedrig sein. Doch Rechtsanwälte und Notare haben noch strengere berufsrechtliche Pflichten einzuhalten. Über deren Einhaltung müssen die Kammern wachen.
Auszubildende werden darüber hinaus durch besondere gesetzliche Regelungen geschützt. § 17 des Berufsbildungsgesetzes fordert eine angemessene Vergütung. Maßgebend sind die Empfehlungen der Kammern. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer des Landes Sachsen-Anhalt hat bereits gehandelt und den besonders niedrigen Ausbildungsvergütungen ein Ende bereitet. Seit 2014 wurde die für angemessen erachtete Vergütung um rund 70 % erhöht. Auszubildende sollen nun im dritten Ausbildungsjahr 600 Euro erhalten.
Am gesteigerten Gewinn partizipieren.
Es gab Zeiten, da ging es Anwälten und Notaren in Sachsen-Anhalt schlechter. Wer länger im Beruf ist, kann sich an die geringen Streitwerte in Familien-, Miet- und Arbeitsrechtssachen erinnern, die der allgemeinen Lebenssituation in den neuen Bundesländern geschuldet waren. Eine weitere Reduzierung der Vergütung hatte seine Ursache in der zwanzigprozentigen, später zehnprozentigen Gebührenreduzierung. Zu jener Zeit hat unser Berufsverband auf die schwierige Einkommenssituation der Kanzleien Rücksicht genommen und in seinen Tarifempfehlungen Zurückhaltung geübt.
Das ist inzwischen Geschichte. In der Zwischenzeit haben wir mehrere Gebührensteigerungen erlebt, wie die Einführung des RVG vor 10 Jahren und die Erhöhung der Gebührentabelle im vergangenen Jahr.
Die von der Bundesrechtsanwaltskammer im Auftrag gegebene STAR-Umfrage berichtet seit Jahren regelmäßig nicht nur über steigende Umsatzzahlen, sondern auch gestiegene Gewinne. So ist selbst bei der am schlechtesten verdienenden Rechtsanwaltsgruppe, den Einzelanwälten in Ostdeutschland, der persönliche Jahresgewinn von 35 Tsd. Euro im Jahr 2001 auf 48 Tsd. Euro in 2010 7 gestiegen, also in 10 Jahren um über 37 %. Lokale ostdeutsche Sozietäten erwirtschafteten im selben Zeitraum eine noch höhere prozentuale Steigerung des Gewinns, nämlich von 47 Tausend auf 66 Tausend Euro je Anwalt 8. Das entspricht einer Steigerungsrate von 40 %.
In dieser Statistik des Instituts für Freie Berufe, die Daten bis 2010 enthält, haben sich die Gebührenerhöhungen durch das zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz aus dem Jahr 2013 noch überhaupt nicht ausgewirkt.
Der Durchschnitt aller Kanzleien kann sich deswegen eine angemessene Entlohnung der Mitarbeiter auch tatsächlich leisten.
Die eigene Arbeitskraft richtig verkaufen.
Vielen Kolleginnen und Kollegen ist es unangenehm, über Geld zu sprechen. Tarifverträge haben deswegen den unschätzbaren Vorteil, dass keine Individualvereinbarungen erforderlich sind.
In Sachsen-Anhalt gibt es leider keine tariffähige Vereinigung der Rechtsanwälte. Angestellte müssen deshalb selbst aktiv werden.
Seien Sie mutig. Außerdem können wir Sie beruhigen. Auch den meisten Arbeitgebern sind Gehaltsverhandlungen nicht angenehm.
Gute Argumente für das Gehaltsgespräch liefert Ihnen diese Broschüre.
Der Markt bestimmt den Preis. Und die Politik.
Zur Erinnerung: Es ist eine Berufspflicht, Sie angemessen zu bezahlen.
Aus diesem Grund haben wir auf den nächsten Seiten zusammengestellt, welche Vergütungen auf dem Arbeitsmarkt für vergleichbare Tätigkeiten gezahlt werden. Zusammen mit den wenigen Tarifverträgen für Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, die in Deutschland existieren, ergibt sich ein Bild, welche Vergütung angemessen ist.
Ist Ihr Arbeitgeber nicht bereit oder in der Lage, Sie angemessen zu bezahlen, sollten Sie über Alternativen, beispielsweise eine Arbeitszeitverkürzung, nachdenken.
Unsere Branche ist ein Beispiel dafür, dass der Markt nicht alles von allein regelt. Das hat die Politik endlich verstanden. Die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, der 8,50 Euro betragen soll, steht bevor. Damit wird die unterste Lohngrenze für einfache Tätigkeiten der ungelernten Mitarbeiter festgeschrieben.
Gehaltsextras
Lohnsteuer- und sozialabgabenfreie Gehaltsextras sind kurzfristig betrachtet eine gute Sache. Als Ersatz für eine angemessene Bezahlung taugen Extras nicht, weil damit die Altersarmut vorprogrammiert wäre.
Wir möchten trotzdem Möglichkeiten aufzeigen, damit Mitarbeiter mehr in der Tasche haben:
- Arbeitsessen: Lassen Sie sich zum Essen für bis zu 40 Euro brutto zum Essen einladen. So kann man inhaltlich Dinge in einem netten Rahmen besprechen.
- Aufmerksamkeiten: Auch Mitarbeiter dürfen Geschenke erhalten. Pro Anlass darf der Wert des Geschenks 40 Euro brutto nicht überschreiten.
- BahnCard: Eine BahnCard auch zur privaten Nutzung. Das geht, wenn für eine Dienstreise die einmalige Reisekostenersparnis über dem Anschaffungspreis der Bahncard liegt.
- Berufskleidung: Das sind Anziehsachen, die für den Mitarbeiter objektiv privat nicht nutzbar sind. Unser Tipp: Das können auch T-Shirts mit einem kleinen Firmenaufdruck sein.
- Gesundheitsförderung: Die Übernahme von Kosten für vorbeugende Gesundheitsmaßnahmen sind bis zu 500 Euro pro Jahr steuer- und sv-frei möglich.
- Getränke, Obst und Kekse: Kleine Leckereien am Arbeitsplatz auf Betriebskosten? Kein Problem.
- Kindergartenzuschuss: Arbeitgeber können ihren Arbeitnehmern die Unterbringung und Betreuung von nicht schulpflichtigen Kindern in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen zahlen. Abgabenfrei ist auch das Essensgeld für die Kinder.
- Handy und PC: Der Chef kann dem Mitarbeiter die private Nutzung des betrieblichen PCs oder des Handys gestatten. Achtung: Die Geräte dürfen nur zur Nutzung überlassen, aber nicht geschenkt werden.
- Sachbezüge: Extrazuwendungen bleiben bis 40 Euro brutto abgabenfrei. Möglich sind auch Geschenk- oder Tankgutscheine.
- Werkzeuggeld: Der Arbeitnehmer nutzt die eigenen Werkzeuge – dafür kann eine Entschädigung gezahlt werden. Das kann auch ein Pauschalbetrag für die Nutzung des privaten Telefons oder PC oder des Heiminternets sein. Allerdings sollte die gezahlte Summe die Aufwendungen des Arbeitnehmers nicht offensichtlich übersteigen. Ein Betrag von 20 bis 30 Euro monatlich ist problemlos möglich.
Noch ein Vierteljahr bis zum Mindestlohn. Dann erhalten ungelernte Vollzeit-Aushilfskräfte monatlich mindestens 1.473 EUR.
ZEIT ZUM VERHANDELN. JETZT.
Der Tarifvertrag Hamburg kann für euch eine Orientierungshilfe sein.
Niedriglohn
Statistisches Bundesamt:
Niedriglöhne beginnen bei 10,36 Euro
Im Jahr 2010 lag die Niedriglohngrenze bei einem Bruttoverdienst von 10,36 Euro pro Stunde. Niedrigere Stundenverdienste wurden als Niedriglohn eingestuft. 10,36 Euro entsprechen einem Monatsgehalt von Höhe von 1795,00 Euro.
DIE ZEIT IST REIF FÜR VERÄNDERUNGEN.
Quelle: Statistisches Bundesamt